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Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Logistik

Die Co­ro­na­vi­rus-Pan­de­mie hat nicht nur kurz­fris­tig Lie­fer­ket­ten zer­ris­sen. Sie wird auch lang­fris­ti­ge Än­de­run­gen für Un­ter­neh­men und de­ren Lo­gis­tik bzw. In­tra­lo­gis­tik brin­gen.

Ratgeber & Wissen

Die Corona-Pandemie hat die Welt wie aus dem Nichts zu einer Neuorientierung gezwungen. Eins ist schon jetzt klar, sie wird langfristige strukturelle Veränderungen hervorbringen - auch in der Logistik-Branche. Es gibt neben vielen Verlierern auch Gewinner. 

Folgen in der Lockdown-Phase

Die weitreichenden und mannigfaltigen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft und Menschen können hier natürlich nur anhand von Beispielen aufgezeigt werden. Besonders in der nun umstrittenen (globalen) Lockdown-Phase (in Deutschland im März, April) wurden Lieferketten zerrissen, weltweit Häfen, der Seeverkehr und der Personenflugverkehr nahezu lahmgelegt. Die Warenströme änderten sich rasant, besonders auch aufgrund der Schließung von Werken und der heruntergefahrenen Produktion in China. Viele Branchen hatten große Schwierigkeiten ihre Waren und Zulieferteile weiterhin zu beziehen. Produktionswerke waren geschlossen, Anlieferungen nicht möglich. Besonders die Autoindustrie, die im Kanban und Just-In-Time-Modus arbeitet, musste aufgrund zerrissener Lieferketten ihre Produktion aussetzen. Die Coronavirus-Pandemie hat der Autobranche die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg beschert. Zahlreiche Hersteller schlossen ihre Werke und beantragten Kurzarbeit. Laut des Verbands der Automobilindustrie (VDA) brach die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland aufgrund der stark gefallenen Nachfrage im ersten Halbjahr 2020 durch das Coronavirus um 35 Prozent auf 1,21 Millionen Einheiten ein. Jetzt im Herbst ist die Lage weiterhin angespannt. In den meisten europäischen Länder wurden Kontrollen an den Grenzen eingeführt, was zu Staus und Verzögerungen führte. Beispielsweise mussten Lkw-Fahrer bei ihrer privaten Rückkehr nach Polen 14 Tage in Quarantäne verbringen und fielen daher für die deutschen Unternehmer aus. Generell durften Lkw-Fahrer häufig nicht auf das Werksgelände fahren und wurden wie Aussätzige behandelt. 

Restaurants und Hotels in Deutschland hatten kaum noch Gäste und benötigen entsprechend weniger Lieferungen. Gleichzeitig wurden Supermärkte so schnell leergekauft, dass sie häufiger beliefert werden mussten. Logistik-Unternehmen mussten neu planen und fast täglich auf Veränderungen reagieren. Durch die Angst vor dem Virus, geschlossenen Läden, Arbeit im Home-Office veränderte sich das Konsumverhalten der Menschen beträchtlich. Es wurde zunehmend online bestellt. Insbesondere im Lebensmittelbereich stiegen die Online-Bestellungen enorm. 

Natürlich musste der Lagerbetrieb in den Unternehmen weitergehen. Hier wurden zahlreiche Vorkehrungen getroffen. Z. B. wurden getrennte Teams in separaten Hallenbereichen eingesetzt, damit bei Ausfall eines Teams, das jeweils andere weiterarbeiten konnte. Es wurde u. a. in versetzten Schichten gearbeitet und neuartige Hygiene-Konzepte für das Lager entwickelt und umgesetzt.  

Besonders schwer wurden in der Lockdown-Phase die Transport-Logistik, (Luftfahrt- und Schifffahrtsunternehmen), Häfen, Flughäfen, Produktionsbetriebe in diesen Bereichen, die Touristik, der stationäre Handel, Unternehmen mit hohem Auslandsgeschäftsanteil, Öl- und Gasunternehmen, Gebäude im gewerblichen Bereich, Shoppingmalls (Verödung der Innenstädte), Kulturbetriebe, Bars- und Restaurants, u. v. a. getroffen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag schätzt, dass jedes vierte Unternehmen in Deutschland aufgrund der Corona Krise Umsatzeinbußen von mehr als fünfzig Prozent hinnehmen musste. Mehr als neunzig Prozent der Unternehmen spürten und spüren die negativen Folgen deutlich. 

Auf der anderen Seite gab es auch Gewinner wie E-Commerce und den Lebensmittelhandel, Paketdienste, Softwareunternehmen, Hersteller von Medizintechnik und Hygienemitteln, die Gesundheitsbranche generell, Videoconferencing-Unternehmen (Zoom), Amazon, Netflix und nicht zuletzt auch den Transport von Waren via Flugzeug. Viele Exporteure mussten ihre Güter auf dem Schienen- oder teilweise auch auf dem Luftweg befördern. Auch Software-Anbieter, die Lösungen in den Bereichen digitale Fertigung, Banken und Versicherungen sowie Cybersicherheit bieten, werden mittelfristig zu den Gewinnern zählen. Covid-19 veranlasst ganze Industrien dazu, die digitale Transformation ihrer Kernaktivitäten zu beschleunigen oder spätestens jetzt einzuleiten.

Phase der Normalisierung

Nach dem Lockdown sind die Unternehmensprozesse und die Weltwirtschaft immer noch dabei sich langsam zu normalisieren. Allerdings liegen einige Branchen wie der Tourismus, der Flugzeug- und Schiffbau, u. a. natürlich auch in Deutschland immer noch am Boden. Durch das größte Hilfspaket in der Geschichte der Bundesrepublik - dem Corona-Schutzschild - konnte bisher die Insolvenz vieler Unternehmen verhindert werden. Manche Betriebe haben aufgrund starkem Geschäftswachstums die Auslieferung von Gütern an Logistik-Dienstleister outgesourct. Wieder andere haben so wenig zu tun, dass sie ihre Produktion, Logistik und Dienstleistungen insourcen, um genügend Arbeit für ihre Angestellten zu haben. 

Die EU-Kommission hat mittlerweile die EU- Staaten dazu aufgefordert, unverzüglich alle relevanten Übergangsstellen an Binnengrenzen innerhalb des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V-Netz) als sogenannte „Green Lane“-Übergangsstellen zu benennen. Diese „Green Lane“-Übergangsstellen sollten für alle Frachtfahrzeuge offen sein – unabhängig von den transportierten Waren. Zudem sollte der Grenzübertritt einschließlich aller Überprüfungen und Gesundheitskontrollen nicht länger als 15 Minuten dauern. 

Im ersten und im zweiten Quartal 2020 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt laut Statistischem Bundesamt um -1,8 bzw. -11,3 Prozent. Gemäß einer Prognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vom 30. September wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um -5,2 Prozent schrumpfen (Juni-Prognose: -6,2 Prozent). Für 2021 rechnet das IMK nun mit einem Wachstum der Wirtschaft von +4,9 Prozent – 1,1 Prozentpunkte mehr als im Juni erwartet. Es ist aber grundsätzlich sehr schwierig eine Entwicklung abzuschätzen. Mittlerweile bedroht bereits die sog. zweite Welle die wirtschaftliche Erholung. Auch wenn immer wieder beschworen wird, dass es keinen zweiten Lockdown geben wird, gibt es bereits Stimmen, die ihn wieder heraufbeschwören.

Zukunft der Logistik nach Covid-19

Interessant ist die Frage nach den langfristigen Veränderungen der Logistik durch die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Wie werden Logistik-Firmen davon betroffen sein? Welche Lehren wurden aus dem Lockdown gezogen? Wie sollten sich Logistiker für ein künftiges vergleichbares Szenario aufstellen? 

Eine wichtige Lehre für viele Firmen ist, dass sich die Logistikkette durch Online-Tools und die Arbeit im Home-Office aufrechterhalten lässt. Nicht nur das, das Geschäft kann teilweise viel effizienter und flexibler durch den Einsatz von digitalen Lösungen abgewickelt werden. Telefonische Anfragen nach Frachtraten, langwierige Preisverhandlungen, die Notwendigkeit, physische Frachtbriefe zu verschieben – all das lähmt das eigene Geschäft in der Transport- und Speditionsbranche. Es existieren bereits digitale Frachtplattformen, die Preisvergleiche zwischen Speditionen und Online-Buchungen per Klick sowie komplett digitalisierte End-to-End-Lösungen für den gesamten Transportprozess bieten. Aufgrund der positiven Erfahrung wird sich die Digitalisierung der einzelnen Prozesse und deren Transparenz zunehmend ausweiten. 

Viele Firmen wurde schmerzlich bewusst, dass ihre Lieferketten nicht krisensicher sind, da sie sich zu abhängig von einzelnen Zulieferern beispielsweise aus China gemacht hatten. Es gilt hier jetzt die Supply Chains zu diversifizieren und verschiedene Zulieferer aus unterschiedlichen Ländern und Regionen bzw. auch mehr lokale Zulieferer/ Hersteller mit ins Portfolio zu ziehen (Glokalisierung). Der Begriff ist eine Kombination aus Globalisierung und Lokalisierung. Langfristig wird die Produktion sehr wahrscheinlich wieder lokaler (und nachhaltiger), wodurch die Wertschöpfungsketten kürzer werden. Die Fehleranfälligkeit von Lieferketten soll sich verringern. Auch die drohende Insolvenz von Herstellern und Zulieferern muss bedacht werden. Hier sollten umfassende detaillierte digitale Lieferanten-Suchplattformen aufgebaut werden. Krisensicherheit ist nun weitaus wichtiger als geringe Preisvorteile, die sich in Ländern wie China erzielen lassen. Durch diese Entwicklungen wird die Transparenz entlang der Lieferkette immer wichtiger. Hersteller und Logistiker können dann effizienter planen und mögliche Lieferengpässe frühzeitig erkennen bzw. schneller auf alternative Lieferwege ausweichen. Zudem wird die Zusammenarbeit mit großen internationalen Logistikpartnern wie DHL, TNT, UPS zunehmen, um im Ernstfall lieferfähig zu bleiben. Eine wichtige Lehre die Logistiker aus der Coronavirus-Pandemie ziehen ist, dass eine aktive Netzwerk- und Supply Chain-Planung, eine digitale Bestandsprognose und -disposition sowie eine umfassende logistische Kapazitätsplanung dafür sorgt, dass Firmen krisensicherer sind. Zudem müssen auch die sich stark ändernden Frachtraten in Krisenzeiten immer transparent bleiben. Diese Strategie erfordert aber die Fähigkeit mit großen Datenmengen (Big Data) umgehen und Informationen ableiten zu können. Weiterhin muss das Supply Chain-Risikomanagement gestärkt werden. Maßnahmenpläne müssen erstellt und evaluiert werden damit stets genügend Bestände, Transportkapazitäten sowie Liquiditätsreserven vorgehalten werden. 

Die Transportbranche muss endlich dem Fahrermangel gegensteuern und den systemrelevanten Beruf des Lkw-Fahrers attraktiver machen bzw. besser entlohnen und evtl. mehr selbstständige Fahrer mit eigenem Lkw beauftragen.  

Auch in der Intralogistik wird es viele Veränderungen geben. Die Produktion im Push-Modus und Kanban-Prinzip mit Just-in-Time-Anlieferung von Zulieferteilen - wie z. B. in der Automobilindustrie üblich - muss vielerorts überdacht werden, da sie zu störanfällig ist. Die Auswirkungen von Lieferausfällen sind zu groß und können leicht zum Stillstand der gesamten Produktion führen. Pufferlager werden für die Krisensicherheit von Betrieben wieder interessanter. Hier könnten die Firmen vermehrt auch standortnahe Lager für strategische Produkte bei Logistikdienstleistern nutzen. 

Die Corona-Krise hat schmerzlich gezeigt, wie wichtig der positive Cashflow für einen Betrieb ist und dass eine reine Gewinnorientierung nicht ratsam ist. Der Cashflow (Einnahmen minus Ausgaben) entspricht der finanziellen Handlungsfähigkeit, die ein Betrieb hat. D. h. Sowohl die Einnahmen- als auch Kostenseite muss sowohl qualitativ als auch zeitlich regelmäßig überprüft werden und transparent sein. Einsparungspotenziale auf der Ausgabenseite müssen identifiziert werden. Zahlungsbedingungen sollten situativ und selektiv mit adäquaten Partnern gestaltet werden. Fuhrparkbetreiber müssen gerade auch laufende Kosten im Auge behalten, wie Leasingraten, Steuern, Versicherung, Verwaltung und nicht zuletzt Personalkosten für Lkw-Fahrer. Einstellungen und Gehaltserhöhungen müssen u. U. eingefroren werden. Aber auch auf der Einnahmenseite lässt sich einiges tun. Wie lange dauert es, bis die erbrachte Leistung bezahlt werden? Hier kann die angebotene Zahlungsweise geändert oder auch Ratenzahlung bzw. Abonnements angeboten werden. 

Die Pandemie legt die Vulnerabilität der Lieferketten offen, was man auch positiv werten kann. Vielleicht hat sich die Wirtschaft zu lange auf reine Produktivität, Profitabilität, geringe Kapitalbindung, Schnelligkeit, etc. fokussiert. Als systemrelevanter 
Krisenhelfer wird die Logistik als Gewinner der Pandemie hervorgehen, wenn die entsprechenden Lektionen von allen Beteiligten gelernt werden. Krisen sollte man auch als Chancen zu den positiven Veränderungen sehen.

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