Welche Lagerart eignet sich für Ihren Betrieb?
Bei der Gestaltung eines Lagers sind sehr viele Rahmenaspekte zu berücksichtigen, einige davon stehen in einem Zielkonflikt. Hier muss der Betreiber Prioritäten setzen.

Optimierte Unternehmens-Prozesse spielen insbesondere im internationalen Wettbewerb im Zeitalter der Digitalisierung, Automatisierung und Industrie 4.0 eine extrem große Rolle. Neben der Verwaltung und Produktion muss in jedem Fall auch die Lagerhaltung und Logistik optimiert werden. Hier stellt sich für die Unternehmensführung zunächst die Frage, wie die Produktion - falls vorhanden - und damit die Lagerung von Artikeln und Rohstoffen organisiert werden soll.
Brauchen Sie ein Lager?
Falls eine Fließfertigung im Sinne von Lean Production im Pull-Prinzip (Hol-Prinzip) angestrebt wird, sind auch sehr geringe bis keine Vorratsbestände im Lager erforderlich. Eingelagerte Artikel und Halbzeuge binden sehr viel Kapital, das an andere Stellen besser eingesetzt wäre. Der Bau und Betrieb eines Lagers können teuer werden. Zu hohe Bestände binden aber nicht nur Kapital, sondern blockieren auch Flächen und Räume, die dann für eine andere Nutzung - beispielsweise den Einsatz weiterer Produktionsmittel - nicht mehr zur Verfügung stehen. Überbestände behindern in der Logistik oftmals auch die etablierten Prozesse. Durch den Such- und Umräumaufwand entstehen zusätzliche Kosten für das Unternehmen. Das Pull-Prinzip und das japanische Kanban-System führen dazu, dass Artikel und Bauteile nur dann angeliefert werden, wenn sie benötigt werden (Just-in-Time-Anlieferung). Dies resultiert wiederum in einer schlanken Lagerhaltung. Wer seine Supply Chain optimal im Griff hat, kann Lager reduzieren und damit sehr viel Geld und Aufwand sparen. Allerdings ist die schlanke Produktion mit Kanban und Hol-Prinzip nicht überall sinnvoll. Wenn Sie nur einzelne oder wenige Produkte herstellen, eignet sich die Methode nicht. Sie passt am besten bei einem hohen Anteil gleicher Teile mit geringer Variantenvielfalt.
Bei der klassischen zentralen Produktionssteuerung beruht die Produktion auf Bedarfsschätzungen. Zu diesem Zweck werden Markt- und Verkaufsdaten herangezogen und darauf aufbauend Prognosen erstellt. Das Teilelager hält viele Bauteile vor und löst Bestellungen basierend auf dem vorhandenen Lagerbestand aus. Die Bestellungen werden aufgrund von Prognosen getätigt und zugleich ein Sicherheitsbestand beibehalten. Die Gefahr bei Push-Systemen ist eine Fehlkalkulation bzw. Unter- und Überproduktion. Bei dieser Art der Produktionssteuerung sind verschiedene Lager wie z. B. ein zentrales Teilelager, Zwischen-, Puffer- und Distributionslager notwendig. Allerdings hat gerade die Corona-Pandemie gezeigt, dass Pufferlager Sinn machen. Sie erhöhen die Flexibilität und Redundanz, wenn es in der Lieferkette mal Probleme gibt.
Aspekte für die Lagerauswahl
Das perfekte Lager und die dazu passende Lagerausstattung existiert generell nicht. Bei der Gestaltung eines Lagers sind sehr viele Rahmenaspekte zu berücksichtigen, einige davon stehen in einem klassischem Zielkonflikt. Es hängt davon ab, welche Priorität der Betreiber festlegt. Dies können z. B. geringe Investitionen und Betriebskosten, Flächen- und Raumnutzung, Mitarbeiterkosten, Automatisierungsgrad, etc. sein. Beispielsweise ist ein Blocklager (Bodenlagerung) optimal, wenn wenig für die Lagertechnik investiert werden soll. Dies führt häufig zu einer schlechten Nutzung der Höhe eines Lagers (Raumnutzung) und damit zu hohen Gebäude- bzw. Mietkosten. Allerdings kann es bei einem bereits vorhandenem Gebäude Sinn machen. Bei den Betriebs- bzw. Mitarbeiterkosten für den Warenumschlag sieht es ähnlich aus. Sind Mitarbeiter bereits vorhanden, ist der zusätzliche Aufwand durch das Umräumen von Paletten, um an die Zielpalette zu kommen, eventuell vernachlässigbar. Anders sieht es bei Artikeln aus, die häufig benötigt werden. Hier muss unbedingt auf eine effiziente Lagerart geachtet werden. Tendenziell setzt sich in der Branche ein ganzheitlicher Ansatz durch. D. h. alle Kosten werden betrachtet: Investition in Gebäude und Lagertechnik, Betriebskosten, Mitarbeiterkosten, etc. Hier lohnt sich häufig ein höheres Investment in eine moderne und i.d.R. teurere Technik.
Welche Lagerarten gibt es?
Die Lagerart lässt sich nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren. Dazu gehören die Funktionalität, der Grad der Automatisierung, Bauart, eingesetzte Lagertechnik und der Standort. Nach der Funktion unterscheidet man: Zwischen- oder Pufferlager, Distributionslager, Umschlagslager, Beschaffungs- oder Produktionslager, Vorratslager und Kommissionierlager. Im Folgenden werden die einzelnen Lagerarten beschrieben.
Zwischen- oder Pufferlager
Pufferlager werden grundsätzlich zwischen zwei Prozessstufen eingesetzt, die unterschiedlich schnell ablaufen. Sinn ist der reibungslose Ablauf von Produktion, Kommissionierung oder Auslieferung sowie die Kostenvermeidung. Ein Puffer- bzw. Zwischenlager ist z. B. ein Lager für Halbfabrikate (unfertige Erzeugnisse), das als Bindeglied und Puffer zwischen unterschiedlichen Prozessschritten wie Weiterverarbeitung und Auslieferung dient. Die Güter werden also im Pufferlager nur temporär zwischengelagert.
Es gibt viele Gründe, warum Unternehmensprozesse ins Stocken geraten können. Die Materialzufuhr oder die Belieferung mit Bauteilen und Halbzeugen für die Produktion wird durch die Marktlage oder die Zulieferer verzögert. Man denke dabei zum Beispiel an Just-In-Time (JIT)-Anlieferung bei Automobilherstellern oder Kanban-Systeme in Betrieben. Eine leichte Beeinträchtigung kann hier zum Produktionsausfall führen und sofort beträchtliche Kosten verursachen. Aber auch die Marktnachfrage kann plötzlich oder auch saisonal zunehmen oder abfallen. Dies kann insbesondere bei Schnelldrehern und Gewinnerprodukten sofort zum Problem werden. Manchmal können auch aus zeitlichen oder organisatorischen Gründen Lagergüter nicht sofort weiterverarbeitet werden. Da einzelne Produktionsstationen meist nur ein bestimmtes Kontingent an Lagergütern aufnehmen können, müssen diese zwischengelagert werden. Darüber hinaus können natürlich auch technische Probleme an Anlagen, plötzlich ausgefallene Mitarbeiter, etc. zur Beeinträchtigung der Produktionsmenge führen. In all diesen Fällen kann ein oder mehrere Puffer- bzw. Zwischenlager den potenziell immensen Schaden abwenden. In Logistikzentren ist es häufig notwendig einen Lagerpuffer bereitzuhalten, um schnell auf kurzfristig eingehende Eilaufträge reagieren zu können. Besonders im E-Commerce kann auf Pufferlager in der Intralogistik kaum verzichtet werden, da einzelne Produkte u. U. rasch reißenden Absatz finden und der Nachschub gesichert werden muss. Pufferlager können als Blocklager (ohne Regale) oder mit Regalen z. B. als Einfahrregal bzw. als Palletten-Durchlauf-Regalsystem (PDS) oder als klassisches Schmalganglager ausgeführt werden.
Distributionslager
Ein Distributionslager wird in räumlicher Nähe zu potenziellen Abnehmern der gelagerten Produkte errichtet, um eine hohe Lieferfähigkeit sicherzustellen. Es soll eine möglichst rasche und kostengünstige Lieferung an Geschäftspartner, Endverbraucher oder eigene Filialen sicherstellen. Meist werden mit ihnen große Gebiete abgedeckt. In der Regel werden in einem Distributionslager nur die absatzstärksten Produkte (Schnelldreher) eines Unternehmens in der Zielregion eingelagert. Das Ziel ist es eine hohe Lieferfähigkeit und eine kurze Lieferzeit für den Kunden zu garantieren.
Umschlagslager (Transitlager)
Bei einem Umschlagslager wird beispielsweise die Ladung von Lieferanten nur kurz zwischengelagert und dann auf andere Transportmittel umgeladen. Die Verweildauer des Transportguts ist meist kurz. Zu unterscheiden sind firmeneigene Umschlagslager und Lager von externen Dienstleistern. Ein Beispiel sind Supermarktketten, die die Artikel der Lieferanten nach der Umladung mit eigenen Lkw zu den Filialen bringen. Umschlaglager können auch von Dienstleistern wie Speditionen betrieben werden. Ziel ist immer die Optimierung der Umschlagsleistung. Häufig werden Umschlaglager von internationalen Speditionen in der Nähe von Flughäfen, Häfen oder Güterbahnhöfen betrieben. Die Standortwahl orientiert sich hier also nach den Transportmitteln. Meist handelt es sich um sehr große Lager, die sehr viele Artikel umschlagen und bei denen der Automatisierungsgrad entsprechend groß ist. Ein weiteres Beispiel für ein Umschlaglager ist das zum Airmail Center gehörende PZ Brief- und Paketzentrum von DHL und Deutsche Post am Flughafen Frankfurt, in dem ausländische Briefe und Pakete vom Flugzeug auf Lkw umgeladen werden.
Beschaffungs- oder Produktionslager
Die Funktion dieser Lager ist die Einlagerung von Rohmaterialien, Halbzeugen und Gütern, die für die Produktion benötigt werden. Häufig ist das Produktionslager direkt mit der Produktion örtlich verbunden, sodass Fördereinrichtungen die Artikel zum Produktionsbereich bringen können. Es gibt vorgelagerte sowie nachgelagerte Produktionslager und Produktions-Zwischenlager. In einem vorgelagerten Produktionslager werden die Rohstoffe für die Produktion aufbewahrt. In einem Produktions-Zwischenlager sind halbfertige Waren gelagert, bis sie in einem nachfolgendem Produktionsschritt weiterverarbeitet werden können. In nachgelagerten Produktionslagern werden halbfertige und fertige Produktionserzeugnisse gelagert und auf den Transport zur Weiterverarbeitung oder direkt in den Handel bzw. Großhandel vorbereitet. In kleineren Unternehmen werden Rohstoffe, Halbzeuge und fertige Waren in einem einzigen Produktionslager aufbewahrt. Hier müssen die Lagerhaltung und Logistik entsprechend optimiert sein. Bei einem Beschaffungslager handelt es sich um ein Lager für eingehende Güter, die Unternehmen für die Produktion benötigen. Dazu zählen Produktbestandteile, Rohstoffe und Hilfsmittel. Das Beschaffungslager kann also gleichzeitig das Produktionslager sein.
Vorratslager
Vorratslager dienen dem Ausgleich von Bedarfsschwankungen (Pufferlager). Sie stellen in einer Zeit zwischen zwei Zugängen über einen längeren Zeitraum regelmäßig Material für die Produktion bereit bzw. nehmen Material für die Distribution zwischen zwei Abgängen auf. Typisches Merkmal von Vorratslagern ist, dass die Einlagerungen und Auslagerungen unregelmäßig sein können. Vorratslager können auch grundsätzlich zur Sicherung der Versorgung (z. B. Erdöl) unterhalten werden. Zudem werden sie zur Einlagerung von Saisonartikeln und für Aktionen sowie zur Bevorratung zu Spekulationszwecken (Spekulationslager) genutzt.
Kommissionierlager
In Kommissionierlagern wird das Sortiment der benötigten Ware für die Auftragskommissionierung vorgehalten. Es werden keine kompletten Ladeeinheiten wie Paletten, sondern nur Teilmengen entnommen. Die Ware muss sehr leicht und schnell zugänglich sein. Hier eignen sich Weitspannregale, Kanban-Regale, (dynamische) Bereitstellregale, verfahrbare Kommissionierregale, Stückgut-Durchlaufregale, u. a.. Es findet keine Bevorratung oder Umlagerung statt. Benötigte Ware wird nach Bedarf aus dem Vorratslager in das Kommissionierlager nachgeräumt. Kommissionierlager kommen häufig in Versandzentren oder Versandabteilungen zum Einsatz. Entscheidend für die Effizienz sind die optimale Raumausnutzung, leichte Zugänglichkeit der Artikel und daher die Zugriffszeitminimierung sowie die Minimierung der Kosten.