Kaizen: der ständigen Optimierung verpflichtet
Die japanische Philosophie des Kaizen lässt sich im Leben wie auch auf industrielle Prozesse anwenden. Dahinter steht eine Verpflichtung zur kontinuierlichen Optimierung und Verbesserung.

Hinter der japanischen Bezeichnung "Kaizen" steht eine Philosophie, die sich in vielen Lebensbereichen aber auch auf industrielle Prozesse anwenden lässt. Kaizen bedeutet "Wandel zum Besseren" und umfasst eine Denkhaltung bzw. Lebensphilosophie, die auf kontinuierliche und unendliche Optimierung bzw. Veränderung ausgerichtet ist. Dabei erfolgen die Veränderungen und Verbesserungen der Prozesse bzw. der Produkte in der Produktionslogistik schrittweise und punktuell. Der Ursprung von Kaizen findet sich in den 50er-Jahren im am Boden liegenden Nachkriegs-Japan. Damals musste Toyota eine Lösung in einem Gewerkschaftsstreit finden, an dessen Ende die Beteiligung aller noch verbliebenden Arbeitnehmer an einem kontinuierlichen Optimierungsprozess stand. Durch die garantierte lebenslange Beschäftigung musste das Humankapital äußerst gewinnbringend sein. So war es sinnvoll, die Fähigkeiten der Arbeiter kontinuierlich zu verbessern und ihr Wissen, ihre Erfahrung und Arbeitsleistung effektiv zu nutzen. Toyota führte Kaizen neben vielen anderen Prinzipien wie Kanban, Just-In-Time (JIT)-Anlieferung von Bauteilen, Kenbutsu (Einbeziehung der Lieferanten), u.v.m. in das Toyota Produktions System (TPS) bei der Automobilfertigung ein. Nach dem bekannten Toyota-Ingenieur und Produktionsleiter Taiichi Ohno liegt der Ausgangspunkt des TPS-Konzeptes in der Beseitigung jeglicher Vergeudung. Er definierte auch die sieben Verschwendungsarten. Auch wenn Taiichi Ohnos Buch "Toyota Production System: Beyond Large-Scale Production" in den 80er-Jahren ins Englische übersetzt wurde, wurde Kaizen im Westen erst durch den japanischen Management-Berater Masaaki Imai und sein Buch "Kaizen: Japanese spirit of improvement"weitläufig bekannt. Prinzipiell wurden also Lean Production und Lean Management bereits zu dieser Zeit angewandt. Darauf folgend wurde in der westlichen Wirtschaft das Konzept übernommen und zu einem Managementsystem weiterentwickelt, das in der Praxis unter dem Begriff Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) bekannt ist.
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Grundlagen der Kaizen-Methode
Kaizen ist eine Denkweise, die von allen Mitarbeitern verinnerlicht und in allen Prozessen eines Unternehmens realisiert wird. Die fünf zentralen Grundlagen des Kaizen sind: Prozessorientierung, Kundenorientierung, Qualitätsorientierung, Kritikorientierung und Standardisierung.
Durch die Abkehr von der reinen Ergebnisorientierung hin zur Prozessorientierung und Gewinnoptimierung durch die ständige Optimierung der Abläufe kommt man zwangsläufig zur Kundenorientierung. Denn Gewinnoptimierung ist nur bei hoher Kundenzufriedenheit möglich, da Kundengewinnung teurer ist als Kundenbindung. Es gibt allerdings externe und interne Kunden (Zweigstelle, Organisations- bzw. Produktionseinheiten). An der Schnittstelle zwischen diesen Organisationseinheiten treten häufig Probleme auf, daher setzt man hier vornehmlich mit der Umsetzung der Optimierungen und der Ziele des Kaizen - Qualitätssicherung und -steigerung, Kundenzufriedenheit und Kostensenkung durch die Mitarbeiter - an. Im Rahmen des Total Quality Managements wird eine ständige Total Quality Control durchgeführt, bei der in einem aufwendigen Messverfahren permanent die Qualität produktionsbegleitend überwacht wird. Was für viele Menschen nicht leicht zu akzeptieren ist, aber Kritik wird im Kaizen als Chance zur ständigen Verbesserung gesehen. Allerdings soll nicht nur Kritik, sondern auch Vorschläge zur Verbesserung an das Management vorgebracht werden. Die Vorschläge werden auf Nutzbarkeit geprüft und bewertet und wenn möglich umgesetzt. Es ergibt sich ein ständiger Zyklus von Planung, Tätigkeit, Kontrolle und Verbesserung, der PDCA-Zyklus (Plan → Do → Check → Act). Eine geeignete Verbesserung wird als Standard festgelegt. Dieser Standard wird aber nach wie vor auf Verbesserungen überprüft.
Werkzeuge und Methoden
Es gibt sehr viele Werkzeuge und Methoden im Kaizen, durch die Ursachen für Fehler und Vergeudungen aller Art im Unternehmen sichtbar gemacht werden können. Sie zeigen auf, wo und wie verbessert werden kann. Ihre Anwendung ist relativ einfach, trotzdem können durch den kontinuierlichen Einsatz durch alle Mitarbeiter große Veränderungen erzielt werden. Einige Beispiele sind: 5S/ 5A, Kaizen-Workshops zur Besprechung von Verbesserungsvorschlägen, 3-Mu-Checkliste, 6-W-Checkliste, Ishikawa-Diagramm zur Ursachenanalyse, 5-Mal-Warum-Fragen, Gemba-Walks, Kanban, Poka Yoke, u.v.m..
5-Mal-Warum-Fragen
Dies ist eine Fragetechnik mit der man die Wurzel der Herausforderung erkunden kann. Sie sollte laut Kaizen-Philosophie zuerst angewendet werden, um die Herausforderung zu eruieren. Man fragt also z. B. "Warum ist das passiert?", wobei die jeweilige Antwort die Basis für die nächste Frage bildet. Nicht alle Herausforderungen haben nur eine zugrundeliegende Ursache. Daher muss für jede Ursache möglicherweise eine unterschiedliche Sequenz an 5-W-Fragen gestellt werden. Das Resultat hängt immer vom Wissen und der Beharrlichkeit der beteiligten fragenden Personen ab.
Beispiel:
Herausforderung: Der Gabelstapler startet nicht.
- Warum?: Die Batterie ist leer.
- Warum?: Die Lichtmaschine funktioniert nicht.
- Warum?: Der Keilriemen ist gerissen.
- Warum?: Der Keilriemen war schon alt und wurde nicht gewechselt.
- Warum?: Der Gabelstapler wurde nicht vorschriftsmäßig gewartet. (Wurzelursache)
5S/ 5A
Bei der 5S/ 5A-Methode analysiert der Mitarbeiter sein Arbeitsumfeld auf Verschwendungen und unnötige Aktivitäten und leitet entsprechende Aktionen zur Beseitigung ein. Diese beginnen im Japanischen alle mit einem "S".
- Seiri: Entferne Unnötiges aus deinem Arbeitsbereich.
- Seiton: Ordne die Dinge, die nach Seiri geblieben sind.
- Seiso: Halte deinen Arbeitsplatz sauber.
- Seiketsu: Mache Sauberkeit und Ordnung zu deinem persönlichen Anliegen.
- Shitsuke: Mache 5S durch Festlegen von Standards zur Gewohnheit.
Kaizen-Workshops
Regelmäßig setzen sich alle Angestellten eines Arbeitsbereichs mit ihren Vorgesetzten zusammen und besprechen, welche Probleme aufgetaucht sind und welche Maßnahmen zur Verbesserung durchgeführt werden sollen. Dabei werden Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und die Situation „vor Ort“ betrachtet, die Dinge werden live angeschaut und analysiert. Verbesserungen werden nach Möglichkeit direkt umgesetzt und probiert. Themen für die Besprechung können beispielsweise sein:
- betriebliche Abläufe, Doppelarbeit, unnötige Tätigkeiten
- Qualitätsprobleme und Fehler bei Produkten, Werkzeugen oder Maschinen
- fehlerhafte Arbeitsplatzorganisation
- Zeitverzug bei einzelnen Tätigkeiten und Abläufen
- Rationalisierungen, mit deren Hilfe Abläufe einfacher oder schneller gemacht werden können
- u.v.m.
Um Verbesserungen aus Kaizen-Workshops direkt umsetzen und ausprobieren zu können, ist es hilfreich mit Technologien und Arbeitsmitteln zu arbeiten, die die Mitarbeiter selbst für Ihre Belange optimeren können. Ein BITO-Beispiel: Beim fahrerlosen Transportsystem "LEO Locative"können die Angestellten selbst Fahrspuren bzw. Befehle legen bzw. "programmieren" bis sie optimal an ihre Ansprüche angepasst sind. Die Angestellten brauchen keine externe IT-Unterstützung, müssen keine Angebote einholen oder ein Budget anfordern, was ihnen die flexible Anpassung an alle Gegebenheiten erlaubt.
3-Mu-Checkliste
Mit der Checkliste können Quellen von Verschwendungen und Ursachen von Problemen aufgedeckt werden.
- Muda: Verschwendung
- Muri: Überlastung
- Mura: Abweichung von Standards oder Regeln
In den drei Bereichen werden beispielsweise folgende Dinge überprüft: Mitarbeiter, Technik, Methode, Zeit, Gestaltungsspielraum, Vorrichtungen und Werkzeuge, Material, Produktionsvolumen, Transporte, Umlauf, Platz, Bewegungsabläufe (Ergonomie), Denkart (Geisteshaltung).
Sieben Verschwendungsarten (Mudas)
- Überproduktion
- Wartezeit
- überflüssiger Transport
- Herstellung fehlerhafter Teile
- überhöhte Lagerhaltung
- unnötige Bewegung
- ungünstiger Herstellungsprozess
Ziele und Vorteile für die Intra- bzw. Produktionslogistik
Prinzipiell kann Kaizen auf jeden Bereich und Prozess angewendet werden. Bei industriellen Prozessen ist das Hauptziel die Gewinnoptimierung durch die Vermeidung von Vergeudung (s. sieben Verschwendungsarten), die durch Prozess-, Kunden-, Qualitäts-, Kritikorientierung und Standardisierung erreicht wird - wobei diese Bereiche gleichzeitig stetig optimiert werden. Wie am Beispiel des Kaizen-Workshops beim LEO Locative gezeigt wurde, erhalten die Mitarbeiter mehr Spielraum, um Abläufe selbst nach ihren Ansprüchen im Sinne von Kaizen stetig punktuell und in kleinen Schritten zu optimieren. Dies schafft bei den Mitarbeitern ein größeres Verantwortungsgefühl und eine höhere Zufriedenheit und daher eine gesteigerte Motivation und Effizienz. Lösungsvorschläge aus der Belegschaft können und sollten darüber hinaus honoriert werden, um die Motivation weiter zu steigern. Die kontinuierliche Anwendung einfacher Regeln zur Verbesserung von Abläufen in allen Sektoren schafft handfeste Veränderungen. Das heißt auch, dass man nicht auf die perfekte Lösung wartet, sondern simple aber effektive Lösungen vorzieht. Am Kaizen sind immer alle Mitarbeiter und Bereiche beteiligt. Probleme sind hier Chancen bzw. Herausforderungen und werden als treibenden Kraft des Verbesserungsprozesses gesehen. Ein konkretes Beispiel von Kaizen in der Intralogistik ist z. B. die stetige Optimierung von Transportrouten im Lager. Die Antwort auf viele Fragen kann im direkten Arbeitsumfeld gefunden werden. Die Kreativität und Intelligenz aller Angestellten wird bei Kaizen ausdrücklich genutzt und häufig ist für die Umsetzung nicht einmal großer Kapitaleinsatz nötig. Die Philosophie zeigt auch, dass kein Prozess jemals vollständig optimiert ist. Der nächste kleine Optimierungsschritt erscheint direkt nach dem gerade vollendetem.
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Literatur
Ohno, Taiichi (1988), Toyota Production System: Beyond Large-Scale Production, Productivity Press
Ohno, Taiichi (1988), Workplace Management, Productivity Press
Ohno, Taiichi (2007), Workplace Management. Translated by Jon Miller, Gemba Press
Imai, Masaaki. Kaizen: The key to Japan's competitive success. New York, itd: McGraw-Hill (1986)
Imai, Masaaki (1997-03-01). Gemba Kaizen: A Commonsense, Low-Cost Approach to Management (1e. ed.). McGraw-Hill