Gute und zuverlässige Lieferanten finden
Um möglichst optimale Lieferanten zu finden, werden vom Einkauf verschiedene Methoden eingesetzt. Ein häufig verwendetes Verfahren ist die Punkte-Bewertung. Die Lieferantenbewertung ist Teil des Lieferantenmanagements.

Den optimalen und zuverlässigen Lieferanten für Produkte, Materialien und Halbzeuge aber auch Betriebsmittel zu finden, kann über den Erfolg oder das Scheitern eines Unternehmens entscheiden. Besonders bei der Just-In-Time (JIT)-Produktion und der schlanken Lagerhaltung ist der Zulieferer extrem entscheidend für das eigene Überleben. Hier werden entsprechende Zulieferer durch strenge Verträge mit Vertragsstrafen bei Zeitverzögerung und Qualitätsmängeln an den Produzenten gebunden. Dementsprechend sorgfältig suchen sich Unternehmen ihre Lieferanten für eine langfristige, strategische Zusammenarbeit aus.
Teil des Lieferantenmanagements
Das Finden von geeigneten Zulieferern ist Teil des Lieferantenmanagements, das üblicherweise vom Einkauf eines Unternehmens ausgeübt wird. Unter Lieferantenmanagement versteht man die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von allgemeinen Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen. Es umfasst die Bereiche Lieferantenbewertung, -entwicklung,-integration und -controlling. Ziele dabei sind die Qualitätssteigerung und Kostensenkung. Zudem sollen die Abläufe zwischen den einzelnen Lieferanten und dem Unternehmen synchronisiert werden, um die Prozesszeiten zu verkürzen.
Beschaffungsstrategie festlegen und Erstauswahl treffen
Zunächst wird eine geeignete Beschaffungsstrategie für das Unternehmen und die benötigten Betriebsmittel, Halbzeuge, Materialien, Artikel und Produkte festgelegt. Die Objekte werden nach ihrer Wichtigkeit meist durch eine ABC-Analyse gruppiert. Danach werden Anforderungsprofile für die Zulieferer identifiziert, wozu Technologie- und Lieferantendatenbanken genutzt werden. Aus diesem Pool werden diejenigen Lieferanten ausgewählt, die den eigenen Preis-Leistungsverhältnissen entsprechen.
Lieferantenanalyse und -bewertung
Die Analyse und Bewertung von Lieferanten erfolgen bei der Suche, beim Wechsel und bei der Prüfung bestehender Lieferanten. Laut ISO 9000 ist ein Unternehmen dazu verpflichtet, Kriterien für die Auswahl und Beurteilung von Zulieferern festzulegen. Man kann die Lieferantenbewertung im Rahmen einer Punkte-Bewertung (Scoring) in sechs Schritte aufteilen: Lieferanten klassifizieren, Auswahlkriterien festlegen, Auswahlkriterien gewichten, Lieferantendaten sammeln, Lieferantendaten abgleichen, Auswerten.
1. Lieferanten klassifizieren
Zunächst sollten die Zulieferer identifiziert werden, die eine wichtige oder unverzichtbare Aufgabe in der Lieferkette haben. Welche Auswirkungen hätte ein Ausfall dieses Lieferanten? Was würde passieren, wenn dieser eine mindere Qualität liefert? Auch neue Zulieferer sollten in die Klassen „weniger wichtig“, „wichtig“ oder „unverzichtbar“ eingeteilt werden. Wichtige und unverzichtbare Lieferanten werden regelmäßig bewertet.
2. Auswahlkriterien festlegen
In diesem Schritt werden wichtige Auswahlkriterien festgelegt. Dies können zum Beispiel der Preis, die Qualität der Waren, die Liefertreue, die Fehlerquote, die Kulanz, Innovationsfähigkeit, Problemlösungsverhalten, die Erreichbarkeit von Ansprechpartnern und schnelle Hilfe, Transparenz, Standort, etc. sein. Die Anzahl der Kriterien sollte überschaubar sein.
3. Auswahlkriterien gewichten
Nun müssen die einzelnen Kriterien prozentual nach ihrer Priorität gewichtet werden. Die Gesamtsumme entspricht dabei 100 Prozent.
4. Lieferantendaten sammeln
Zu den festgelegten Kriterien müssen jetzt Daten gesammelt werden. Für die schon vorhandenen Lieferanten sollte das kein Problem sein. Für potenzielle neue Zulieferer müssen Referenzkunden befragt werden. Eventuell existieren andere Möglichkeiten über das Internet auf Lieferanten-Plattformen, in Xing- oder LinkedIn-Gruppen, etc. Informationen zu recherchieren. Generell können Konditionen (Beispiel: Garantierte Preise und Lieferfristen, etc.) auch vertraglich festgelegt werden.
5. Lieferantendaten abgleichen
Die gesammelten Daten müssen nun mit den festgelegten Kriterien für die Lieferanten verglichen werden. Pro Kriterium werden hier maximal zehn Leistungspunkte vergeben. Der beste Zulieferer erhält zehn Punkte, der schlechteste null. Es sollten Notizen gemacht werden, um die Entscheidung später noch nachvollziehen zu können.
6. Auswerten
Für die Auswertung müssen nun die vergebenen Punkte an die einzelnen Lieferanten für die jeweiligen Auswahlkriterien (Preis, Qualität, etc.) mit den Prozentpunkten ihrer Priorität gewichtet werden (siehe Punkt 3). Für jeden Zulieferer wird die gewichtete Gesamtsumme über die ausgewählten Kriterien gebildet. Danach kann bestimmt werden, welcher Lieferant das gesamte Anforderungsprofil am besten erfüllt. Lieferanten, die in der Gesamtwertung weniger als 60 Punkte erreichen, sollten aus der Lieferantenliste gestrichen werden. Zum Hauptlieferanten sollte auch immer ein zweiter Lieferant zur Absicherung gewählt werden, falls der Erstere mal ausfällt.
Weitere Bewertungsverfahren
Es gibt noch weitere Bewertungsverfahren wie die Profilanalyse und die Preisstrukturanalyse (3), die vom Einkauf durchgeführt werden können. Bei der Profilanalyse werden Leistungsprofile von mehreren Zulieferern nebeneinandergestellt, um ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sichtbar zu machen. So werden auch die Minimalanforderungen des Unternehmens bezüglich der einzelnen Bewertungskriterien (Qualität, Preis, etc.) an den Zulieferer ersichtlich. Durch die Profilanalyse findet man anhand von individuellen Profillinien (Kriterien über Bewertungsstufen) für jeden Zulieferer heraus, welcher Lieferant diesen Anforderungen am besten entspricht.
Um angebotene Preise der Zulieferer besser vergleichen zu können, wird die Preisstrukturanalyse angewendet. Dabei werden Preise von Angeboten in Kosten- und Gewinnbestandteile des Lieferanten zerlegt und weitere Preiselemente betrachtet. Liegen die unterschiedlichen Kostenbestandteile vor, lassen sich diese auf Angemessenheit der Höhe der Kosten, auf die Qualität der Prozesse und Produkte des Lieferanten und auf die Güte des jeweiligen Angebots hin durch den Einkauf überprüfen. Einzelne Kostenarten und ihre Höhe werden ermittelt und danach die gesamten Herstellkosten oder Selbstkosten des Lieferanten nachgerechnet. Der Vorteil ist die bessere Grundlage für erfolgreiche Preisverhandlungen mit den Zulieferern. Zudem können deren Preise besser verglichen werden. Allerdings ist dieses Verfahren nur anwendbar, wenn die Lieferanten ihre Informationen über die Preisstrukturen im Rahmen eines Open Book Accounting offenlegen.
Entwicklung der Zulieferer
Die Lieferantenentwicklung ist ein weiteres wichtiges Tool des Einkaufs im Rahmen des Lieferantenmanagements. Dabei soll die Leistungsfähigkeit des Zulieferers gesteigert werden, denn er ist Wertschöpfungspartner und trägt entscheidend zum Unternehmenserfolg bei. Es wird zwischen zwei Modellen unterschieden: der aktiven und passiven Lieferantenentwicklung (Lieferanten-Selbstentwicklung). Bei der aktiven Lieferantenentwicklung legen Einkauf und Zulieferer die Maßnahmen für die Zusammenarbeit gemeinsam fest und führen sie durch. Es wird meist bei Zulieferern angewendet, deren Produkte eine hohe strategische Bedeutung für die eigene Leistungserstellung haben. Die aktive Lieferantenentwicklung fordert einen großen Einsatz der Einkaufsabteilung. Daher werden meist feste Teams mit festgelegten Aufgaben eingesetzt. Bei der passiven Lieferantenentwicklung nehmen die Lieferanten ihre Performance eigenständig in die Hand. Der Einkauf definiert jedoch die Ziele und liefert Know-Hows. Der Zulieferer definiert selbstständig die Methoden, wie sich gesteckte Ziele erreichen lassen. Allerdings sollte der Fortschritt bei der Zielerreichung kontinuierlich vom Einkauf überwacht werden. Die Methode eignet sich hauptsächlich für weniger wichtige Zulieferer.
Lieferantenintegration
Aufgrund eines sehr kompetitiven globalen Marktumfeldes finden sich heute zunehmend Unternehmen mit geeigneten Marktteilnehmern zusammen, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Zulieferer sollen zur Erfolgssteigerung strategisch, finanziell und auf der Prozessebene mit dem eigenen Unternehmen verknüpft werden. Häufig ist das auf der IT-Ebene (via API-Schnittstellen) der Fall. Die Lieferantenintegration umfasst die Teilung von Informationen, die Zielübereinstimmung, Entscheidungssynchronisierung, Anreizausrichtung, Teilung von Ressourcen und die gemeinsame Generierung von Wissen sowie die Kommunikation.
Prozessketten müssen nicht nur intern geschmeidig laufen, sondern auch extern zum Beispiel beim Zulieferer blockadefrei weiterlaufen. Ohne Lieferantenintegration werden die vorhandenen internen Leistungspotenziale eines Unternehmens aufgerieben. Allerdings stimmt der simple Zusammenhang: Supply Chain-Integration steigert den Unternehmenserfolg nur bedingt und ist nur in einem stabilen Marktumfeld uneingeschränkt sinnvoll (4). Hier ändern Kunden nicht ständig ihre Wünsche. Deshalb hat der Einkauf Zeit und Muße, seine Lieferanten über Monate und Jahre hinweg aufzubauen, zu entwickeln und zu integrieren. Allerdings ist das in einem dynamischen Markt ein fataler Fehler. Es existiert hier schlichtweg nicht die Zeit, um Zulieferer über Monate und Jahre zu integrieren. In einem dynamischen Markt sollte ein Unternehmen nicht seine Lieferanten integrieren, sondern seine Kunden. Der Einkäufer sollte zudem warten, bis Zulieferer auf ihn zukommen und das eigene Unternehmen integrieren.
Controlling der Zulieferer
Wenn Zulieferer richtig beurteilt werden, kann ein Unternehmen mit einer reduzierten Anzahl leistungsfähiger Zulieferer Kosten einsparen. Die Einkaufsabteilung ändert je nach Marktlage ihre Strategie (s. o.). Eine Strategie kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf einem vernünftigen Lieferantencontrolling basiert. Nur durch ein leistungsfähiges Zulieferer- und Controllingsystem kann der Einkäufer Kursveränderungen von führenden Strategien und Maßnahmen intern und extern begründen und belegen. Das Controlling hilft beim Aufbau und der Integration von leistungsfähigen und zuverlässigen Zulieferern (optimales Lieferantenportfolio) in den Wertschöpfungsprozess.
Ein Lieferantenbewertungssystem sollte die Unterschiede in der Bewertung der Leistungsfähigkeit und Lieferleistung transparent machen. Allerdings ist die Bewertung der Zulieferer nur dann sinnvoll, wenn die Ergebnisse ausgewertet und aus ihnen zielgerichtet Maßnahmen abgeleitet werden. Die damit im Zusammenhang stehenden Aktivitäten haben Controlling Charakter und gehören zum Lieferantencontrolling (5). Zu den wichtigsten Aufgaben des operativen Lieferantencontrollings zählen: Überwachung der Lieferleistung, frühzeitiges Erkennen von Veränderungen in der Leistungsfähigkeit von Zulieferern (Trendbeobachtung), Defizite bei den Zulieferern transparent machen, um gezielt Maßnahmen einzuleiten (Lieferantenentwicklung), Informationsbasis für Zielvereinbarungen mit Zulieferern (strategisches Lieferantencontrolling).
Um diese Aufgaben zu erfüllen, ist die permanente Beobachtung und Auswertung der Bewertungsergebnisse notwendig.
Literatur:
Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Optimales Lieferantenmanagement - Synergiemanagement, Online-Lehrbuch BWL, Link
Lieferantenbewertung: So finden Sie Lieferanten, die wirklich zu Ihnen passen, "Wer liefert was" (wlw), Visable GmbH, Hamburg, Link
3 Fleig, Dr. Jürgen, Lieferantenbewertung und Lieferantenauswahl, Lieferantenbewertung mit Punkt-Bewertung, Profilanalyse und Preisstrukturanalyse, business-wissen.de, b-wise GmbH, Karlsruhe, Link
4 Kaiser, Prof. Dr. Gernot, Darkow, Prof. Dr. Inga-Lena, Wöhner, Heiko, Supply Chain Management Institute (SMI) der EBS Business School, Supply-Chain-Integration, Alle ins Boot! Lohnt sich das?, Beschaffung Aktuell, 1. März 2011, Link
5 Habersaat Sigrid, So sieht erfolgreiches Lieferantencontrolling aus, Einkauf & Logistik, Weka-Verlag, Link