Arbeitsunfälle in Lager vermeiden
Arbeitsunfälle im Lager sind eine reale Bedrohung. Doch durch Befolgen der gesetzlichen Regelungen und Ergreifen der richtigen Maßnahmen lassen sich viele Gefahrenstellen entschärfen.

In 2019 ereigneten sich in Deutschland laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) 871547 Arbeitsunfälle, wobei 497 als Folge tödlich ausgingen. 13362 Fälle wurden als schwere Arbeitsunfälle in der Unfallstatistik eingestuft, bei denen es zur Zahlung einer Rente oder eines Sterbegelds an den Versicherten kam. Im gleichen Jahr gab es 87541 Arbeitsunfälle beim Transport von Hand. Weiterhin ereigneten sich 154570 Arbeitsunfälle bei der manuellen Handhabung von Gegenständen. Im Bereich Verkehr & Lagerei belief sich die Zahl der Unfälle in 2019 auf 72528 in der Unfallstatistik. In der Arbeitsumgebung von Lagerarbeitern zwischen Regalen, Maschinen und Förderfahrzeugen existieren besonders viele Gefahrenquellen, die nur durch Befolgen der entsprechenden Unfallverhütungsvorschriften und Treffen von Vorsichtsmaßnahmen zu vermeiden sind. In Deutschland gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Paragraphen in Arbeitsschutzgesetzen und Sicherheitsverordnungen, die durch den Arbeitgeber und Arbeitnehmer befolgt werden müssen. Wesentlich ist der Aufbau und der ordnungsgemäß funktionierende Betrieb der internen Arbeitsschutzorganisation.
Arten und Ursachen von Arbeitsunfällen
Häufig führen Unachtsamkeit sowie Leichtsinn der Mitarbeiter, das Missachten von Sicherheitsvorkehrungen, die fehlende Ausbildung und Sensibilisierung der Arbeitnehmer, eine mangelnde Wartung an den eingesetzten Arbeitsmitteln wie Flurförderzeugen und Regalen, die vernachlässigte Ordnung und Sauberkeit sowie eine dysfunktionale Organisation des Arbeitsschutzes im Unternehmen zu vermeidbaren Unfällen im Lagerbereich. Zudem wird die persönliche Schutzausrüstung (PSA) nicht oder unzureichend genutzt. Dabei erleiden Arbeitnehmer nicht selten schwere Verletzungen wie beispielsweise Schnittverletzungen (nicht nur durch Schneidwerkzeuge, sondern auch durch Papier) und Quetschungen an Gliedmaßen. Gegenstände können beim Herunterfallen aus Regalen oder durch Kontrollverlust der Mitarbeiter beim Heben von Lasten schwere Verletzungen verursachen. Durch Feuchtigkeit aber auch durch Dreck und Sand können Arbeitnehmer ausrutschen oder auch über vergessene oder nicht gekennzeichnete Gegenstände stolpern und stürzen. Auch Stürze von hohen Arbeitsbühnen sind nicht selten. Unfälle mit Gabelstaplern, anderen Flurförderzeugen und Kranen (schwebende Lasten) führen häufig zu schwereren Verletzungen. Zudem können die Flurförderzeuge beim versehentlichen Anfahren und Rammen ganze Regale zum Einstürzen oder Gegenstände und Artikel zum Herabstürzen bringen. Hier muss der Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen treffen, um Arbeitsunfälle zu vermeiden.
Gesetzliche Regelungen zur Vermeidung von Unfällen
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen sowie zur sicheren und menschengerechten Gestaltung der Arbeit (§§ 2, 3 ArbSchG). Hierzu gehören sowohl die Gestaltung der Arbeitsstätte, des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebungsbedingungen als auch die Gestaltung von Arbeitsverfahren, -ablauf und -organisation. Welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes und Sicherheit zur Vermeidung von Unfällen erforderlich sind, hat der Arbeitgeber durch die Gefährdungsbeurteilung (s. u.) nach § 5 ArbSchG zu ermitteln.
Die DGUV Information 208-043 "Sicherheit von Regalen" liefert für alle gewerblich genutzten Regaltypen aus Stahl wichtige Hinweise zur Verhinderung von Arbeitsunfällen. Sie listet die wichtigsten europäischen Normen bzgl. der Bau- und Ausrüstungsbestimmungen auf und geht genauer auf die Anforderungen aus der DIN EN 15 635 „Ortsfeste Regalsysteme aus Stahl – Anwendung und Wartung von Lagereinrichtungen“ ein. Dabei geht die Informationsschrift insbesondere auf die regelmäßige Prüfung der Regalanlagen aus Stahl auf Beschädigungen, die Prüfung durch befähigte Personen, Einstufung der Schäden, Zustand der Sicherungen (u. a. Anfahrschutz), Belastung der Regale, Instandsetzung und Erhöhung der Sicherheit im Lager ein. Die DIN EN 15635 fordert von Arbeitgebern bzw. Betreibern, Regalsysteme, die mit Flurförderzeugen beschickt oder in deren näherem Umfeld diese Arbeitsmittel eingesetzt werden, regelmäßig zu überprüfen bzw. jährlich von einer fachkundigen Person überprüfen zu lassen. Dies gilt für Einfahrregale, Durchfahrregale, Durchlaufregale, Fachbodenregale, Kragarmregale, Mehrgeschoßanlagen, Palettenregale und Lagerbühnen. Aus diesem Kontrollverfahren sollen sich bei beschädigten Regalen Schutzmaßnahmen nachvollziehbar ableiten lassen. Auch kraftbetriebene Regalsysteme und Hochregallager (> 12 m) aus Stahl fallen unter diese Norm. Die DGUV Regel 108-007 enthält unter Absatz 4.3 zusätzliche Bestimmungen für bestimmte Lagereinrichtungen.
Eine besondere Bedeutung für die Vermeidung von Arbeitsunfällen erhält die DGUV Information 208-043 "Sicherheit von Regalen". Unter Punkt 4.7 steht hier: "An den Eckbereichen von Regalen, die mit nicht leitliniengeführten Fördermitteln be- oder entladen werden, muss ein Anfahrschutz angebracht sein, der mit dem Boden verankert ist und nicht mit den Regalstützen verbunden sein darf. Die Höhe des Anfahrschutzes muss mindestens 400 Millimeter betragen." Punkt 8 "Erhöhung der Sicherheit im Lager" empfiehlt Stützenschutzeinrichtungen für alle Stützen.
Zum Thema Anfahrschutz (Rammschutz) und Regalschutz führt die DGUV Regel 108-007 "Lagereinrichtungen und Geräte" Absatz 4.2.5 folgende Vorschrift auf: "Ortsfeste Regale, die mit nicht leitliniengeführten Fördermitteln be- oder entladen werden, müssen an ihren Eckbereichen – auch an Durchfahrten – durch einen mindestens 0,3 m hohen, ausreichend dimensionierten, nicht mit dem Regal verbundenen und mit einer gelb-schwarzen Gefahrenkennzeichnung versehenen Anfahrschutz gesichert sein. Dies gilt nicht für die Innenseiten ortsfester Endregale bei verfahrbaren Einrichtungen. Als ausreichend dimensioniert kann ein Anfahrschutz angesehen werden, wenn er eine Energie von mindestens 400 Nm aufnehmen kann. Hinsichtlich gelb-schwarzer Gefahrenkennzeichnung siehe Unfallverhütungsvorschrift „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz“ (BGV A8)."
Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung
Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss der Unternehmenseigner bzw. Arbeitgeber vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen beurteilen. Das Gesetz schreibt aber nicht detailliert fest, wie eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Es werden nur Grundsätze benannt. Aus der Beurteilung müssen nach Abschnitt 2 §3 (1) Betriebssicherheitsverordnung notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Der gesamte Prozess muss zudem durch den Arbeitgeber dokumentiert werden. Auch die Berufsgenossenschaftliche Regel für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit BGR A1 „Grundsätze der Prävention“ und das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreiben die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung vor, um Arbeitsunfälle zu verhindern.
Organisation der Arbeitssicherheit und Schulung der Arbeitnehmer
Ein wesentlicher Grundbaustein zur Vermeidung von Unfällen ist die Sensibilisierung und Schulung der Arbeitnehmer in allen relevanten Themen der Arbeitssicherheit. Hier gibt es gut vorbereitete Materialien der Berufsgenossenschaften, die bei internen Schulungen eingesetzt werden können. Auch die Sicherheitsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung werden kontinuierlich den Gefahrenquellen am Lager angepasst, um Arbeitsunfälle zu verhindern. Die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der Regeln zur Vermeidung von Arbeitsunfällen ist nicht weniger wichtig. Diese Führungsaufgabe obliegt der operativen Leitung im Lager. Die Mitarbeiter im Unternehmen müssen spüren, dass das Unternehmen die Arbeitssicherheit ernst nimmt und Verstöße dagegen konsequent (auch mit Sanktionen) ahndet. Die Arbeitssicherheit muss im Zusammenspiel mit Betriebsleitung, Arbeitnehmervertretung und Arbeitsmediziner organisiert werden. Externe Fachleute stehen hier mit Rat und Tat für die Vermeidung von Unfällen zur Seite. Das wichtigste ist aber - Arbeitssicherheit muss im Unternehmen gelebt werden.
Tipps zur Vermeidung von Arbeitsunfällen
Einige Dinge wurden weiter oben bereits genannt. Neben der Befolgung der Rechtsvorschriften zur Vermeidung von Unfällen und der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung müssen auch die Regalanlagen regelmäßig durch Fachkräfte (Sicherheitsbeauftragten) geprüft werden. Regelmäßige Sichtprüfungen zusätzlich zur jährlichen Regalinspektion helfen, Anfahrschäden frühzeitig zu erkennen. Alle Regalschäden müssen dokumentiert werden. Prüfplaketten geben Hinweise auf die notwendigen Wartungsintervalle. Absperrvorrichtungen, Rammschutz und andere Schutzsysteme dienen als einfache, aber wirkungsvolle Maßnahme für mehr Sicherheit im betrieblichen Ablauf und der Verhinderung von Unfällen. Beispiele sind: Rammschutz bzw. Anfahrschutz (Ecken- und Kanten-Schutzprofile, Flächen-Massivschutz, Rohr-Schutzprofile, gerade Rammschutzbügel und Rammschutzbügel für Ecken), Sicherheitsmarkierungen, Absperrsysteme für die Trennung von Verkehrs- und Arbeitsbereichen, Brandschutzanlagen, u. a., wie zuvor beschrieben, sind bestimmte Rammschutz-Einrichtungen, Warn- und Regalschutz-Profile sowie Absperrungen gesetzlich vorgeschrieben. Wieder andere dienen zur allgemeinen Steigerung der Sicherheit - wie z. B. die erwähnten Stützenschutzeinrichtungen. Mit Rammschutz- und Warnprofilen lassen sich schwere Unfälle und Beschädigungen sowie Verletzungen von Inventar und Arbeitnehmern verhindern. Im betrieblichen Umfeld werden sie auf innerbetrieblichen Transportwegen zur Vermeidung von Wegeunfällen, an Maschinen und Fahrzeugen und überwiegend an Ecken und Kanten eingesetzt. Ein weiterer Tipp sind Bodenmarkierbänder oder Bodenmarkierfarben. Durch sie können Fahrstraßen und Laufwege sichtbar durch den Arbeitgeber abgetrennt werden, um Unfälle zu vermeiden. Wichtig ist hierbei auch auf eine ausreichende Breite der Fahrwege zu achten. Entsprechende Vorgaben sind in den oben zitierten Gesetzen und Verordnungen vorgegeben. Antirutschbänder oder -beschichtungen vermindern zudem das Risiko des Ausrutschens auf nassen oder schmierigen Untergründen. Auch für die Nutzung von Gabelstaplern und anderen Flurförderzeugen gibt es verbindliche Regeln. So ist z.B. das Nutzen der Fahrzeuge durch Unbefugte auszuschließen oder auch das Fahren mit angehobener Last.
Individuelle Arbeitsschutzausstattungen existieren heutzutage in vielen Varianten und helfen die Gefahr durch Unfälle zu verringern. Durch stützende Exoskelette kann das wiederholte Heben schwerer Lasten erleichtert werden und so Unfällen und Verletzungen durch den Arbeitgeber vorgebeugt werden. Dank neuester Sensor- und Aktortechnik werden schwere Arbeiten viel leichter und rückenfreundlicher. Besonders am Fließband und beim Packen muss häufig längere Zeit leicht vornübergebeugt gearbeitet werden, was die Lendenwirbel auf Dauer sehr stark belastet. Besonders beim Herausheben von schweren Lasten und bei der Entnahme von Waren von Bodenplätzen im Kommissionierbereich wird der Rücken stark beansprucht.
Auch wenn alle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko durch Unfälle zu verringern, sollten immer berufsspezifische Erste-Hilfe-Koffer vor Ort leicht zugänglich sein. Die DGUV-Info 204-022 gibt Aufschluss über Erste-Hilfe im Betrieb. Ersthelfer im Betrieb müssen nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung speziell für die Erste Hilfe bei Arbeitsunfällen ausgebildet werden.