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Logistik im Pharmagroßhandel

Der Pharmagroßhandel fungiert als Bindeglied zwischen Herstellern und Apotheken. Die Lagerung einer Vielzahl von unterschiedlichen Arzneimitteln und die Belieferung der Apotheken ist ein Bravourstück.

Ratgeber & Wissen

Arzneimittel werden in Deutschland größtenteils über Großhändler vertrieben. Nur ein kleiner Teil wird direkt von den Herstellern an die Apotheken geliefert. Dabei stellt der Pharmagroßhandel das Bindeglied zwischen den rund 510 Herstellern (1) von Pharmaprodukten und rund 19000 Apotheken (2) in Deutschland dar. Die Zahl der Apotheken sinkt auch aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks durch Online-Apotheken beständig. Der Pharmagroßhandel trägt dazu bei, die gesetzlich geforderte Versorgung der Bevölkerung bzw. Kunden mit Medikamenten über die Apotheken sicherzustellen. Die gesamte Pharmabranche erwirtschaftet einem Umsatz von über 47 Milliarden Euro und beschäftigt mehr als 140000 Mitarbeitern (BPI Pharma-Daten 2020). Der Großhandel erwirtschaftet davon rund 25 Milliarden Euro. Es existieren hierzulande zwölf vollversorgende Großhändler mit 113 Niederlassungen (3). Bedeutende Pharmagroßhändler in Deutschland sind u. a.: Phoenix, Noweda, Celesio (Gehe), Alliance Healthcare (Anzag) und Sanacorp.

Gesetzliche Bestimmungen für Arzneimittel

Medikamente sowie Wirk- und Einsatzstoffe unterliegen bei der Herstellung, Lagerung und dem Transport besonderen gesetzlichen Bestimmungen. Dazu gehören u. a. die GMP-Leitlinie (Leitfaden für Gute Herstellungspraxis), die Good Distribution Practice (GDP)-Richtlinie (Leitfaden für Gute Vertriebspraxis), die Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV), die Arzneimittel- und Wirkstoffverordnung (AMWHV), das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und das Arzneimittelgesetz (AMG). Pharmazeutika werden grundsätzlich in rezeptpflichtige (Rx), apothekenpflichtigen (OTC, "over the counter „‚“über die Ladentheke") und frei verkäuflichen Produkte unterteilt. Zudem werden sie nach den chemischen und physikalischen Eigenschaften unterschieden. Spezielle Regelungen gelten zusätzlich für Betäubungsmittel, kühl- und kühlkettenpflichtige Arzneimittel oder radioaktive Arzneimittel. Die Phamalogistik sowie alle logistischen Prozesse werden direkt durch die gesetzlichen Vorschriften sowie die spezielle Handhabung (Lagerung und Transport) bestimmt, die Rahmenbedingungen vorgeben.

Kühlpflichtige und kühlkettenpflichtige Arzneimittel

In Deutschland gibt es etwa 2000 kühlpflichtige und rund 250 kühlkettenpflichtige Medikamente. Kühlpflichtige Medikamente, wie etwa Insuline, dürfen sich kurzfristig über +8° C erwärmen, kühlkettenpflichtige Arzneimittel (z. B. TNF-Blocker für Rheumakranke) müssen dagegen entlang der Supply Chain jederzeit unbedingt innerhalb des vorgeschriebenen Temperaturbereichs von +2° C bis +8° C gelagert werden. Für beide Arzneimittelgruppen gilt jedoch, dass sie auf keinen Fall unter 0° C transportiert oder gelagert werden dürfen. Bei Minustemperaturen können die Substanzen einfrieren. Einfrieren oder zu warme Temperaturen können Medikamente und Teststreifen in ihrer Struktur verändern, was eventuell zu unvorhersehbaren Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen, aber auch zu einem kompletten Wirkungsverlust des Medikaments führen kann. Außerdem können durch Frost feinste Haarrisse im Glas von Ampullen und Spritzen entstehen, durch die womöglich Verunreinigungen oder Infektionserreger ins Medikament gelangen, was ebenfalls zum Teil schwere gesundheitliche Folgen für die Patienten mit sich bringen kann. Doch auch ganz normale Salben, Lotionen oder Tropfen vertragen keine Überhitzung oder Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.

Besondere Anforderungen an Pharma-Lager

Zu den Aufgaben des Pharmagroßhandels gehört die Versorgung der Apotheken mit den Produkten der Pharmahersteller. Die jeweilige Pharmalogistik-Sparte der Großhändler muss eine sehr schnelle tägliche Belieferung gewährleisten. Dazu sind auch große Lager vonnöten. Für Pharmalager gelten einige Besonderheiten. Laut der Miebach Consulting GmbH sind „die Anforderungen der zu lagernden Produktgruppen in Bezug auf Temperatur, Lagerungsbedingungen, Reinheitsanforderungen oder bezüglich des Betäubungsmittelgesetzes in der Pharmabranche sehr hoch und müssen durchgängig eingehalten werden.“ (4) Beispielsweise müssen für Stoffe unterschiedlicher Gefahrstoffklassen, Giftigkeitsgrade und anderer Eigenschaften aufgrund von Zusammenlagerungsverboten zusätzliche Lager- und Brandabschnitte je Temperaturbereich eingerichtet werden. Die Anzahl der Lagerbereiche kann sich dadurch vervielfachen, wodurch sich Gebäude, die Logistik und Produktionsprozesse ändern. 

Die gängigsten Temperaturklassen liegen bei Ambient/ Raumtemperatur (15 bis 25 °C), Cool/ Kühlware (2 bis 8 °C) sowie Frozen/ Tiefkühlware (im Bereich von „höchstens -18 °C bzw. -20 °C bzw. -25 °C“). Laut Miebach gibt es zudem einen Trend zu einem höheren Anteil gekühlter Produkte, deren Temperaturen sich in immer tiefere Bereiche verschieben und deren Einhaltung genauer überwacht werden muss (z. B. die Einhaltung von Temperaturen über die komplette Kühlkette hinweg, ohne jegliche Unterbrechungen). Über die Temperaturanforderungen hinaus ergeben sich für temperierte Lager typischerweise große Einflüsse durch Gefahrstoffe, Giftstoffe, Wassergefährdungspotenziale oder auch durch die notwendige Trennung von pharmazeutischen Produkten und Werbeware oder Verpackungsmaterial.  

Weitere Abgrenzungsmerkmale bei kombinierten Lagern ergeben sich durch die Trennung von Fertigprodukten für die Distribution und von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen für die Produktion. Nach einer Grobeinteilung der zu lagernden Stoffe u. a. auch nach den Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 220 lassen sich z. B. anhand der Zusammenlagerungsmatrix des Verbandes der chemischen Industrie (meist nur „VCI-Matrix“ genannt) die zukünftig baulich zu trennenden Lagerbereiche festlegen. Das Konzept klassifiziert unter der Berücksichtigung der Lagersicherheit die Produkte entsprechend ihrer Gefahrenmerkmale in 13 Lagerklassen. Die mögliche Separat- oder Zusammenlagerung kann anhand der Matrix ermittelt werden. Erst danach kann mit der wirklichen Lagerplanung unter Berücksichtigung der logistischen Anforderungen begonnen werden. Insbesondere die klimatechnischen Anlagen sind mit einer stufenweisen Redundanz zu planen, um beim Ausfall einzelner Komponenten einen kompletten Systemausfall zu vermeiden aber auch um die Investitionskosten zu mindern. Wichtig sind außerdem isolierte Verladestationen (Überladebrücken), damit die Kühlkette für kühlpflichtige Arzneimittel nicht unterbrochen wird. Aber auch an sogenannte Konditionierkammern - in denen „zu kalte Ware“ erwärmt oder zu warme Ware gekühlt wird - sollte man denken. Hochregallager müssen für die Einhaltung der Temperatur mit speziellen Klima- und Lüftungsanlagen ausgestattet werden.

Pharmalogistik des Großhandels

Die Auslieferung erfolgt über ein flächendeckendes Netz von Logistikzentren. Die Versorgung der Apotheken mit Medikamenten erfolgt meist innerhalb weniger Stunden. Was am Vormittag bestellt wird, wird nachmittags schon geliefert. Die Großhändler halten dazu weit über 100000 Produkte in ihren Lagern vor, die sie dann jederzeit ausliefern können. „Präsenzapotheken“ und Krankenhaus-Apotheken werden beispielsweise durch die AS Logistik GmbH - die Transportgesellschaft des Großhändlers Alliance Healthcare Deutschland, Sitz in Frankfurt am Main – beliefert. Weitere Wettbewerber sind u. a. Sanacorp in Planegg, Phoenix Pharmahandel GmbH & Co. KG in Mannheim, Noweda Apothekergenossenschaft eG, in Essen. Mehrmals täglich und nachts beliefert AS Logistik alle Apotheken in Deutschland mit Medikamenten und weiteren Produkten des über Apotheken vertriebenen typischen Sortiments (60000 Arzneimitteln und 30000 Produkte aus dem Rand- und Nebensortiment) mit ihrem Mikrologistiksystem. Mit 3700 Auslieferungstouren kommt das Unternehmen auf jährlich sieben Millionen Belieferungen von Apotheken. Mit sechs Haupt-Niederlassungen (Hochleistungs-Kommissionierzentren) in verschiedenen Regionen übernimmt der Pharmalogistiker die Nachtproduktion und die Defektabwicklung für die anderen Verbundniederlassungen. Laut AS Logistik beträgt die Lagerdurchlaufzeit maximal 25 Minuten, die Auslieferung erfolgt in der Regel innerhalb von 1,5 Stunden nach Auftragseingang. Als Rückgrat dieses Pharmalogistik-Systems verantwortet das Unternehmen auch den Austausch der Waren im Lieferverbundsystem von Alliance Healthcare sowie die Auslieferung bestellter Waren an Kunden anderer Branchen. Alliance Healthcare Deutschland AG beschafft bzw. bestellt die Arzneimittel bei verschiedenen Unternehmen der Pharmaindustrie, transportiert und lagert sie ein. Mit insgesamt 120000 sofort verfügbaren Artikeln in einer nachfrageorientierten Sortimentstiefe fungiert das Unternehmen als „externes Lager" der Apotheken. Zudem werden Modelle zur Lageroptimierung in der Präsenzapotheke angeboten, um so zusätzlich die Warenverfügbarkeit zu verbessern. Natürlich werden auch die Retouren der Apotheken übernommen. Ein einheitliches und vollständiges vernetztes Warenwirtschaftssystem erfasst alle Artikel aus 25 Lagern, um die ständige Verfügbarkeit zu sichern. Für alle Unternehmen der pharmazeutischen Industrie mit ihren derzeit rund 280000 in Deutschland gelisteten Apothekenprodukten nimmt Alliance Healthcare Deutschland täglich Tausende von Bestellungen an. Kaum einer der 510 Pharmahersteller könnte diese Leistungen allein erbringen.

Transport von temperatursensiblen Medikamenten

Kühlpflichtige und kühlkettenpflichtige (zusammen über 2000 in Deutschland) bzw. temperatursensible Medikamente werden in aktiv und passiv gekühlten Transportbehältern befördert, wobei die jeweiligen beschriebenen Temperaturbereiche eingehalten werden müssen. Bei kühlkettenpflichtigen Arzneien ist eine durchgehende Kühlung sowie eine durchgehende Temperaturkontrolle und -aufzeichnung mittels Datalogger notwendig (aktive Kühlkette). Beispiele für kühlkettenpflichtige Medikamente sind Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln oder Gelbfieber. Auch einige Dosieraerosole gegen Asthma sowie einige Glaukom-Augentropfen müssen ununterbrochen gekühlt werden. Die passive Kühlung (passive Kühlkette) z. B. in einem Isolierbehälter wird meist nur als Zwischenstufe zwischen der aktiven Kühlung eingesetzt – wie beispielsweise bei Transporten zwischen Großhändler und Apotheken. Ein direkter Kontakt zwischen Medikamenten und Kühlelementen muss jedoch vermieden werden, denn ein Einfrieren könnte die Wirkung der Medikamente vermindern. Hierbei sind die Fahrzeuge selbst nicht mit Kühltechnik ausgestattet. Die Verpackungsindustrie hält zahlreiche Lösungen für den geeigneten Transport und die Lagerung von kühlpflichtigen Pharmaprodukten für Groß- und Privatkunden bereit. Kühlboxen aus Polyurethanschaum, Polypropylen, extrudiertem Polystyrol mit einer Beschichtung aus Aluminiumfolie bieten hervorragende Isolierleistung vor extremen Temperaturen und die notwendige Stoßfestigkeit. BITO bietet für den sicheren Transport von Medikamenten und Impfstoffen das Thermo-Isolier-Set für den Mehrwegbehälter MB an. Bei Palettentransporten schützten Thermohauben die Ware vor extremen Temperaturen. Alternativ bietet die Industrie isolierende Versandkartonagen an. Sie bestehen aus einem Ring und einem Stülpdeckel aus robustem Wellkarton, der mit einer isolierenden Folie laminiert wurde.

Literatur:

1 Die Pharmabranche in Deutschland, Pharma Fakten - Eine Initiative von Arzneimittelherstellern in Deutschland, Berlin 

2 Apothekenzahl sinkt unter 19000, Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) online, 04.06.2020, Berlin 

3 Der Pharma-Großhandel, Landesbezirksfachbereich Handel NRW verdi, Dr. Jürgen Glaubitz, 2016, Düsseldorf 

4 Sponheimer Achim, Temperaturgeführte Lagerung pharmazeutischer Produkte effizient planen, Miebach Consulting GmbH, Frankfurt am Main, TechnoPharm 5, Nr. 4, 222–228 (2015), Edition Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)

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