Ersatzteillogistik in der Automobilindustrie
Die Ersatzteillogistik in der Automobilindustrie gilt als hochkomplex. Tausende unterschiedliche Teile für viele verschiedene Automodelle müssen zeitgenau mit der entsprechenden Lagertechnik bereitgestellt werden.

Die Ersatzteillogistik in der Automobilindustrie wird nicht ohne Grund die Königsdisziplin der Logistik genannt. Müssen doch Ersatzteile für viele unterschiedliche Automodelle - auch für Oldtimer- mit jeweils mehreren tausend Teilen bundesweit oder gar weltweit verfügbar sein. Das Ersatzteil-Sortiment besteht aus Schnelldrehern bis hin zu Teilen, die nur sehr selten (extreme Langsamdreher) benötigt werden. Die Aufgabe der Logistik ist also zeitkritisch und extrem komplex. Die Ziele der Ersatzteillogistik liegen in der Optimierung von Kosten, Service und Beständen bei gleichzeitiger Maximierung von Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit. Es besteht ein Zielkonflikt zwischen ausreichender Lagerhaltung bei geringstmöglicher Kapitalbindung und angemessener Teileverfügbarkeit. Bei der Planung der Distribution steht mittlerweile auch der Carbon Foodprint im Fokus.
Lagerhaltung in der Ersatzteillogistik
In der Automobilindustrie bedarf es durchdachter und maßgeschneiderter Lösungen für Lagerhaltung und Distribution sowie einer differenzierten und realitätsnahen Bedarfsermittlung von Ersatzteilen. Das Distributionssystem der Unternehmen ist mehrstufig aufgebaut und wird in eine Zentral-, Regional- und Händlerebene eingeteilt. So kann unterschiedlich schnell auf Kunden-Aufträge reagiert werden. In diesem Logistiknetzwerk werden die Langsamdreher zentral sowie die Schnelldreher mit kontinuierlichem Bedarf dezentral nahe am Bedarfsort gelagert. Der Zentrallagerbestand muss sich physisch nicht an einem zentralen Standort befinden. Üblicherweise werden Langsamdreher in kostengünstige Außenlager verlagert, welche den zentralen Lagerstandort bei Bedarf beliefern. Auch die räumliche Trennung nach Teilegröße und Teileart im Lager ist gebräuchlich (z. B. Groß-, Mittel- und Kleinteile). Die Bestände des Unternehmens werden IT-technisch zentral verwaltet und bilden daher ein virtuelles Zentrallager. Um Bestandstransparenz über die gesamte Logistikkette der Ersatzteillogistik zu erhalten, müssen alle Bestände von Zentral- über das Regional- bis hin zum Händlerlager IT-technisch verknüpft und visualisiert werden. (1) Verschiedene elektronische Bauteile sind z. B. nur begrenzt lagerfähig. Es gibt sozusagen ein Haltbarkeitsdatum, das bei der Lagerung und Logistik bedacht werden muss.
Kundenbindung und Effizienzsteigerung
Ersatzteile verkaufen sich heute nicht mehr durch die Abhängigkeit vom Autohersteller bzw. -händler von selbst. Der Kunde versucht sich heutzutage Ersatzteile über das Internet billiger bei Fremdanbietern zu besorgen. Im OEM-Sektor (Original Equipment Manufacturer) der Automobilindustrie ist ein unerbittlicher Wettbewerb entstanden. Manche Autohersteller - wie beispielsweise FIAT - haben daher lokale Distributionszentren aufgebaut, um eine schnellere und bessere Versorgung der Händler mit Ersatzteilen zu gewährleisten. Zudem soll eine bessere Transparenz für die Teileverfügbarkeit aufgebaut werden. Auch die Händler möchten ihre Lagerhaltung reduzieren und daher ist eine schnelle Belieferung in der Ersatzteillogistik - am besten Same Day Delivery - vonnöten. Generell liegen Schwerpunkte mit hohem Potenzial zur Effizienzsteigerung in der Ersatzteillogistik in der Identifizierung benötigter Ersatzteile, der Auslösung des Bestellprozesses sowie der Minimierung der Lieferzeit.
3D-Printing als Zukunftstrend
Anstatt Bauteile von einem Regional- oder Zentrallager auf eine manchmal tausende Kilometer lange Reise zu senden, können Ersatzteile einfach vor Ort durch sogenanntes 3D-Printing schnell ausgedruckt werden. Dabei kommt z. B. Laser Sintering - eine Technik des Additive Manufacturing - zum Einsatz. Voraussetzung ist, dass die dreidimensionalen CAD-Daten der Bauteile existieren und an den entsprechenden 3D-Drucker übermittelt werden können. Das Additive Manufacturing (AM) entstand schrittweise über die letzten Jahrzehnte aus dem Rapid Prototyping. Beim Rapid Prototyping wurden aber überwiegend Kunststoffe verwendet, während beim AM viele unterschiedliche Materialien (auch Edelmetalle, Titan, komplexe Legierungen, etc.) zum Einsatz kommen. Der Vorteil ist, dass auch Ersatzteile für Produkte am Ende ihres Lebenszyklus hergestellt werden können. AM eignet sich ganz besonders für die Einzelfertigung von Bau- bzw. Ersatzteilen. Eine aufwendige Lagerung von vielen Ersatzteilen könnte durch die Technik entfallen. Weiterhin würden die Ausfallzeiten von betroffenen Fahrzeugen minimiert werden. Eine weitere Möglichkeit des Laser Sintering ist die Reparatur von Bauteilen (Rapid Repair), die somit nicht mehr vollständig ausgetauscht werden müssten. 3D-Printing und AM sind auf dem Vormarsch und werden wohl in einigen Jahren die kostspielige Lagerhaltung und Distribution in der Ersatzteillogistik ersetzen.
Lagertechnik für die Ersatzteillogistik
Lager für die Ersatzteillogistik in der Autoindustrie müssen unterschiedlichste Lagermöglichkeiten für die verschiedensten Teile bieten. Man denke an
Großteile von Motoren und Karosserien, Autoscheiben, Reifen, Kleinteile oder sensible Elektronik. Für diese sehr unterschiedlichen Lagergüter gibt es entsprechende Lagertechnik. Ein Auto-Ersatzteillager muss funktional und übersichtlich sein und reibungslose Betriebsabläufe gewährleisten. Hier kommen häufig kombinierte Lösungen zum Einsatz. Dazu gehören beispielsweise automatische Kleinteilelager (AKL) für Schnelldreher, mehrgeschossige Fachbodenanlagen (MGA) für die Langsamdreher sowie Palettenlager für den Nachschub von Ganzpaletten (artikelreinen Paletten). Auch Fassregallager für die Lagerung von Ölen, Bremsflüssigkeiten und anderen Gefahrstoffen werden meist für diese Lager benötigt. Generell unterliegen sie hohen Anforderungen.
Häufig rechnen sich in der Ersatzteillogistik auch volumenreduzierbare Mehrweg-Kunststoffbehälter (Drehstapelbehälter, nestbare Behälter oder Klapp-Behälter). Diese werden für den Transport vom Zentrallager zu den lokalen Verteilzentren oder direkt zu den Autohändlern und dann wieder zurück zum Zentrallager eingesetzt. BITO hat hier den Drehstapelbehälter U-Turn, DSL und DST, nestbare Raumsparbehälter (wie z. B. den Mehrwegbehälter MB), Klappboxen EQ, Mehrweg-Faltboxen MFB und Palettenfaltboxen im Programm.
Literatur:
(1) Florian Klug, Logistikmanagement in der Automobilindustrie: Grundlagen der Logistik im Automobilbau, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2010