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Aufbau und Besonderheiten von Pharmalagern

Die strengen Vorschriften für Pharmalager und den Umgang mit Arzneimitteln in Bezug auf Temperatureinhaltung, Gefahrstoffklasse, etc. fordern eine besondere Auslegung dieser Lager.

Ratgeber & Wissen

Pharma-Logistikzentren bzw. Pharmalager unterliegen der EU Good Distribution Practice 2013 (GDP) und werden zudem nach der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001 zertifiziert. Die Herstellung von Arzneimitteln folgt der Good Manufacturing Practice (GMP). 

Die Anzahl der temperaturempfindlichen Arzneimittel ist in den letzten Jahren stark gestiegen, was sich auch in den regulatorischen Vorgaben und dem Handling innerhalb der Lieferkette niedergeschlagen hat. So hat sich ebenfalls der Umschlag und Vertrieb von Medikamenten in den vergangenen Jahren gewandelt. 

Pharmazeutika werden grundsätzlich in rezeptpflichtige (Rx), apothekenpflichtigen (OTC, "over the counter „‚“über die Ladentheke") und frei verkäuflichen Produkte unterteilt. 

Normen und Richtlinien

Die ISO-Norm 9001 legt die Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem fest. Ein Unternehmen oder eine Institution muss der Qualitätsmanagementnorm genügen, um Produkte und Dienstleistungen bereitstellen zu können, die den Kundenerwartungen und behördliche Anforderungen entsprechen. Zugleich soll das Managementsystem einem stetigen Verbesserungsprozess folgen. 

Die GDP bzw. in Deutsch die "Leitlinie für die gute Vertriebspraxis" umfasst u. a. Richtlinien für das Qualitätsmanagement, die Räumlichkeiten und Ausstattung, die Dokumentation, den Transport und die Selbstinspektion in Pharmaunternehmen. Sie soll helfen, die Kontrolle der Vertriebskette sicherzustellen und dadurch die Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrechtzuerhalten. Auch soll das Risiko des Eindringens gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette minimiert werden. Im Kapitel 9 "Transport" werden Richtlinien zur Lagerung und dem Transport von Medikamenten gegeben. Der Großhändler ist für den Schutz der Arzneimittel hinsichtlich Qualität und Unversehrtheit einschließlich der Verpackung über die gesamte Transportkette verantwortlich. Er muss sicherstellen, dass die für den Vertrieb, die Lagerung oder die Handhabung von Arzneimitteln verwendeten Fahrzeuge und Geräte für die betreffende Verwendung geeignet und so ausgerüstet sind. Die Einhaltung der vorgegebenen Temperaturbedingungen muss dokumentiert werden. Die entsprechenden Temperaturen für Arzneimittel sind vom Hersteller auf der äußeren Umhüllung des Arzneimittels angegeben. Die Temperaturvorgaben sollen auch beim Abladen, Umladen oder der Zwischenlagerung eingehalten werden. Die Zeiten der Zwischenlagerung bis zur nächsten Transportetappe sind zu minimieren. 

Spezielle Regelungen gelten zusätzlich für Betäubungsmittel, kühl- und kühlkettenpflichtige Arzneimittel oder radioaktive Arzneimittel. Die logistischen Prozesse werden direkt durch die gesetzlichen Vorschriften sowie die spezielle Handhabung (Lagerung und Transport) bestimmt, die Rahmenbedingungen vorgeben. Beispielsweise müssen Betäubungsmittel immer separat zu normalen Arzneimitteln in Wertschutzschränken aufbewahrt werden. Bei kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln dürfen Temperaturtoleranzen nicht unter- oder überschritten werden. Um logistische Prozesse mit möglichst geringem Risiko standardisiert durchführen zu können, wurden in der Pharmabranche entsprechende Standardarbeitsanweisungen (engl.: Standard Operating Procedures, SOPs) eingeführt. 

Zu den genannten Richtlinien und Normen gelten im Pharmabereich noch die Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV), die Arzneimittel- und Wirkstoffverordnung (AMWHV, 1), das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und das Arzneimittelgesetz (AMG, 2).  

Kühlpflichtige und kühlkettenpflichtige Arzneimittel

In Deutschland gibt es etwa 2000 kühlpflichtige und rund 250 kühlkettenpflichtige Medikamente. Kühlpflichtige Medikamente, wie etwa Insuline, dürfen sich kurzfristig über +8° C erwärmen, kühlkettenpflichtige Arzneimittel (z. B. TNF-Blocker für Rheumakranke) müssen dagegen entlang der Supply Chain jederzeit unbedingt innerhalb des vorgeschriebenen Temperaturbereichs von +2° C bis +8° C gelagert werden. Für beide Arzneimittelgruppen gilt jedoch, dass sie auf keinen Fall unter 0° C transportiert oder gelagert werden dürfen. Bei Minustemperaturen können die Substanzen einfrieren. Einfrieren oder zu warme Temperaturen können Medikamente und Teststreifen in ihrer Struktur verändern, was eventuell zu unvorhersehbaren Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen, aber auch zu einem kompletten Wirkungsverlust des Medikaments führen kann. Außerdem können durch Frost feinste Haarrisse im Glas von Ampullen und Spritzen entstehen, durch die womöglich Verunreinigungen oder Infektionserreger ins Medikament gelangen, was ebenfalls zum Teil schwere gesundheitliche Folgen für die Patienten mit sich bringen kann. Doch auch ganz normale Salben, Lotionen oder Tropfen vertragen keine Überhitzung oder Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.  

Anforderungen an Pharmalager

Zu den Aufgaben des Pharmagroßhandels gehört die Versorgung der Apotheken mit den Produkten der Pharmahersteller. Die jeweilige Pharmalogistik-Sparte der Großhändler muss eine sehr schnelle tägliche Belieferung gewährleisten. Dazu sind auch große Lager vonnöten. Für Pharmalager gelten einige Besonderheiten. Laut der Miebach Consulting GmbH sind „die Anforderungen der zu lagernden Produktgruppen in Bezug auf Temperatur, Lagerungsbedingungen, Reinheitsanforderungen oder bezüglich des Betäubungsmittelgesetzes in der Pharmabranche sehr hoch und müssen durchgängig eingehalten werden.“ (1) Beispielsweise müssen für Stoffe unterschiedlicher Gefahrstoffklassen, Giftigkeitsgrade und anderer Eigenschaften aufgrund von Zusammenlagerungsverboten zusätzliche Brand- und Lagerabschnitte je Temperaturbereich eingerichtet werden. Die Anzahl der Lagerbereiche kann sich dadurch vervielfachen, wodurch sich Gebäude, die Logistik und Produktionsprozesse ändern. 
Die gängigsten Temperaturklassen liegen bei Ambient/ Raumtemperatur (15 bis 25 °C), Cool/ Kühlware (2 bis 8 °C) sowie Frozen/ Tiefkühlware (im Bereich von höchstens -18 °C bzw. -20 °C bzw. -25 °C). Laut Miebach gibt es zudem einen Trend zu einem höheren Anteil gekühlter Produkte, deren Temperaturen sich in immer tiefere Bereiche verschieben und deren Einhaltung genauer überwacht werden muss (z. B. die Einhaltung von Temperaturen über die komplette Kühlkette hinweg, ohne jegliche Unterbrechungen). Über die Temperaturanforderungen hinaus ergeben sich für temperierte Pharmalager typischerweise große Einflüsse durch Gefahrstoffe, Giftstoffe, Wassergefährdungspotenziale oder auch durch die notwendige Trennung von pharmazeutischen Produkten und Werbeware oder Verpackungsmaterial. Weitere Abgrenzungsmerkmale bei kombinierten Pharmalagern ergeben sich durch die Trennung von Fertigprodukten für die Distribution und von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen für die Produktion. Nach einer Grobeinteilung der zu lagernden Stoffe u. a. auch nach den Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 220 lassen sich z. B. anhand der Zusammenlagerungsmatrix des Verbandes der chemischen Industrie (meist nur „VCI-Matrix“ genannt) die zukünftig baulich zu trennenden Lagerbereiche festlegen. Das Konzept klassifiziert unter der Berücksichtigung der Lagersicherheit die Produkte entsprechend ihrer Gefahrenmerkmale in 13 Lagerklassen. Die mögliche Separat- oder Zusammenlagerung kann anhand der Matrix ermittelt werden. Erst danach kann mit der wirklichen Lagerplanung unter Berücksichtigung der logistischen Anforderungen begonnen werden. Insbesondere die klimatechnischen Anlagen sind mit einer stufenweisen Redundanz zu planen, um beim Ausfall einzelner Komponenten einen kompletten Systemausfall zu vermeiden aber auch um die Investitionskosten zu mindern. Wichtig sind außerdem isolierte Verladestationen (Überladebrücken), damit die Kühlkette für kühlpflichtige Arzneimittel nicht unterbrochen wird. Aber auch an sogenannte Konditionierkammern - in denen zu kalter Ware erwärmt oder zu warme Ware gekühlt wird - sollte man denken. Hochregallager müssen für die Einhaltung der Temperatur mit speziellen Klima- und Lüftungsanlagen ausgestattet werden. 

Laut Miebach erfordert die "Materialfluss- und Lagerplanung in pharmazeutischen Unternehmen im Gegensatz zur Planung herkömmlicher Lager die Beachtung zusätzlicher Kriterien. Ab Beginn der Planungen müssen alle Gewerke qualifiziert werden – unter anderem im Bereich der Klimatisierung, zur Dokumentation der Lagerbedingungen (Monitoring-System), aber auch für die Zutritts- und Zugriffskontrolle und insbesondere bei Materialflussveränderungen im Bereich der Produktion." Eine besondere Herausforderung stellen Zusammenlagerungsverbote (s. o.) für Stoffe unterschiedlicher Gefahrstoffklassen, Giftigkeitsgrade und anderer Eigenschaften und die daher erforderliche Einrichtung von zusätzlichen Lager- und Brandabschnitten je Temperaturbereich dar. Dadurch kann sich die Anzahl der mindestens notwendigen Lagerbereiche vervielfachen und folglich können sich die Auslegung des Gebäudes und die Logistikprozesse ändern. 

Beispielhafter Aufbau eines Pharmalagers

Ein Pharmalager bzw. -logistikzentrum kann z. B. aus einem klimatisierten Hochregallager (15 bis 25 °C) mit Palettenstellplätzen und einem zusätzlichen Kühllager (2 bis 8 °C), einem Tiefkühllager (bis -20 °C oder -25 °C) und evtl. sogar einem Ultratiefkühllager (z. B. bis -70 °C) sowie separaten Gefahrgut- bzw. Betäubungsmittellagern bestehen. Weiterhin existieren meist multifunktionale Kommissionierungsflächen mit Förderanlagen. Die Kommissionierung erfolgt via moderner Pick-by-Light (oder -Voice) -Systemen. Für die Ein- und Auslagerung der Paletten im Hochregallager kommen üblicherweise Schubmaststapler zum Einsatz. Eine besondere Herausforderung sind Rampen und Überladebrücken. Die Kühlkette darf nie unterbrochen werden, daher können entsprechende Arzneimittel erst nach dem temperaturkontrollierten Andocken entladen werden. Dazu dienen Thermoschleusen oder Cooldocks mit aufblasbaren Dichtungen. Häufig wird in den Kühlbereichen zur Sicherheit mit einer redundanten Energie- und Kälteversorgung gearbeitet. Die Dokumentation aller temperaturkontrollierten Lagerbereiche z. B. durch validierte, redundante Sensoren und die Übertragung an das Lagerverwaltungssystem durch Funktechnik spielt eine wichtige Rolle. Insbesondere bei energiehungrigen Kühl- und Tiefkühllagern wird die Nachhaltigkeit immer wichtiger. 

Nicht zuletzt muss auch der Zugang für einen ausgewählten Personenkreis zum Pharmalager geregelt werden. Hier kommt häufig RFID-Technik zum Einsatz. Nur Personen, deren individuelle Profile hinterlegt sind, erhalten Zutritt zu den entsprechenden Lagerbereichen, alle anderen werden abgewiesen. 

Der Bau eines GxP-konformen temperierten Pharmalagers sollte ganzheitlich erfolgen und in die Hände eines versierten Gesamtverantwortlichen gelegt werden. Bauliche und prozessuale Maßnahmen müssen sich an den funktionalen Anforderungen orientieren und nicht umgekehrt. Hier gilt im besonderen Maße das Designprinzip „form follows function“. 

Besonderheiten von Kühl- und Tiefkühllagern

Eine besondere Herausforderung stellen Tiefkühllager dar. Die effiziente Flächennutzung der teuren Lagerfläche ist besonders bedeutsam. Kühllager weisen einen sehr hohen Strombedarf auf. Moderne Kühllager werden daher z. B. mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet. Wärmespeichersysteme mit Photovoltaik könne den Stromspitzenbedarf in Unternehmen mit großem Kühlaufwand um bis zu 90 Prozent reduzieren und zur Entlastung der Stromnetze beitragen. Die Technologie ermögliche es, mit Photovoltaik erzeugte Energie in Kühlanlagen zu speichern und einzusetzen, um die Nutzung von Energie zu verzögern und Energiekosten zu senken. Der umbaute Raum eines Kühllagers ist je Kubikmeter sowohl im Bau als auch im Betrieb teurer als in klassischen Lagerhäusern. Aus energetischer Sicht ist der Bau in „Würfelform“ vorteilhaft. In der Realität nähert man sich dieser Form nur an, da so die eingesetzte Lagertechnik besser genutzt werden kann. Aus Kostengründen werden natürlich platzsparende Lagerformen wie Verschieberegale, Durchlaufregale, Blocklager und Einfahrregale bevorzugt. Kühllager müssen zudem auch „praktisch“ sein, denn manuelle Tätigkeiten im eiskalten TK-Lager sind mühsam. Es sollte also kurze Wege sowie ein schnelles Arbeiten ermöglichen. 

Die verwendete Technik muss optimal auf die Kälte ausgelegt sein. Ansonsten kommt es zu Funktionsstörungen und Stillständen, die die Wirtschaftlichkeit eines ganzen Unternehmens schwer beeinträchtigen können. Auch wird die Arbeitsumgebung aufgrund der extremen Kälte für die Mitarbeiter immer belastender. Manuelle Tätigkeiten sollten generell minimiert werden. Bei der Kommissionierung sollte auf Ergonomie und schlanke Prozesse geachtet werden. Die wichtigste Voraussetzung für jegliche verwendete Technik ist ihre Kälteresistenz. Das betrifft gleichermaßen verwendete Bau- und Isolierstoffe, Schraub- und Steckverbindungen, Elektronik sowie Dichtungen, Fette und Schmierstoffe. Auch die genutzte Elektronik, wie beispielsweise Touchscreens im EDV-Bereich, Scanner oder Akkus, muss in jedem Fall tiefkühltauglich sein und zudem auf Bedienung mit Handschuhen ausgelegt sein. Stapler müssen mit geheizten Kabinen ausgestattet sein und ebenfalls eine leichte Bedienbarkeit mit Handschuhen erlauben. Auch für die technischen Ausrüstungen, Regalbediengeräte sowie Fördertechnik stellt die extreme Kälte eine große Herausforderung dar. Für Systemsteuerungen werden im Tiefkühllager häufig beheizte elektrische oder elektronische Bautypen verwendet. Kunststoffe und Metalllegierungen eignen sich unterschiedlich gut für den Einsatz im Tiefkühllager. Bedeutende Kriterien für die Bewertung von geeignetem Material sind sein Versprödungsprozess sowie die Bruchstabilität. Der Brandschutz ist bei der Planung ein essenzielles Thema. Normale Sprinkleranlagen können nicht eingesetzt werden. Eine mögliche Alternative sind Sprinkleranlagen mit Frostschutzmittel oder beispielsweise Schaum-Löschanlagen. Auch die Brandvermeidung durch Sauerstoffreduktion ist eine Alternative. 

Literatur:

Sponheimer Achim, Temperaturgeführte Lagerung pharmazeutischer Produkte effizient planen, Miebach Consulting GmbH, Frankfurt am Main, TechnoPharm 5, Nr. 4, 222–228 (2015), Edition Cantor Verlag, Aulendorf (Germany), Download 

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